Viennale: Lav Diaz filmt aus der Distanz

„Essential Truths of the Lake“ heißt die neue, fordernde Arbeit des philippinischen Meisterregisseurs, die nun auf dem Viennale-Spielplan steht.

Der philippinische Regisseur Lav Diaz (When The Waves Are Gone), der für seine bis zu 11 Stunden dauernden sozialkritischen Arthaus-Dramen bekannt ist, bittet das Publikum, noch einmal mehr als drei Stunden mit dem von John Lloyd Cruz porträtierten obsessivem Ermittler Hermes Papauran zu verbringen. Die Schwarz-Weiß-Szenen spielen sich in Echtzeit ab, wobei die feststehende Kamera die Figuren aus ungefähr demselben Abstand beobachtet, den man auch in der letzten Reihe eines Live-Theaters hätte. Obwohl Diaz von Hollywood-Actionfilmen inspiriert ist, vermeidet er weitgehend die Bildgestaltung, den Schnitt und die Musik, mit denen Hollywood-Regisseure dem Publikum gerne mitteilen, was sie fühlen sollen. 

Essential Truths of The Lake ist eine Fortsetzung von Diaz‘ vorherigen Films When the Waves Are Gone, denen auch noch ein dritter Film folgen soll. Im ersten Film dieser Trilogiewird Hermes Papauran (Cruz) als „der wohl größte philippinische Ermittler aller Zeiten“ beschrieben, der an einer Hautkrankheit leidet, die an der Oberfläche den Konflikt und Zynismus widerspiegelt, der in ihm brodelt. Er ist ein guter Polizist in einem korrupten Land, der wütend darüber ist, wie Rodrigo Duterte den Krieg gegen die Drogen gemeistert hat. 

Im aktuellen Werk überredet Hermes seine Chefin, den Colonel (Agot Isidro), einen ungeklärten Fall aus dem Jahr 2005 wieder aufzurollen, bei dem es um das Verschwinden von Esmeralda Stuart, dem „philippinischen Adler“, geht, einer Aktivistin und Künstlerin, die mit Kopfschmuck und Federn protestierte. Es ist 15 Jahre her, aber ihr Tod verfolgt Hermes immer noch. Der Film folgt dem Detektiv nun auf der Suche nach neuen Spuren. Hermes scheint mit der Zeit den Verstand zu verlieren und wird entweder zu Esmeralda (dem Opfer) oder zum bedrohten Vogel, für den sie sich eingesetzt hat. Der Colonel findet ihn schlafend im Freien und befiehlt Hermes, den Fall aufzugeben. Dann bricht ein Vulkan aus. 

Da Diaz keine Nahaufnahmen macht, dauert es eine Weile, bis man erkennt, dass der langhaarige Fotograf, der in der aschebedeckten Landschaft umherwandert, Hermes ist. Er weigert sich, die Suche aufzugeben. Diaz ist zutiefst verärgert über Dutertes Erbe und legt seinen Figuren seine Empörung direkt in den Mund. In „Waves“ nannte er Namen, und im aktuellen Film lässt er einen Oberst zu Hermes sagen: „Wir folgen Ideen. Wir folgen nicht den Gesetzen.“ Der Regisseur ist verzweifelt über die politischen Zustände auf den Philippinen, aber hat den Glauben an das System (noch) nicht verloren: Einige Polizisten sind korrupt, so wie viele andere Politiker auch, aber Hermes ist ein fleißiges und engagiertes Gegenbeispiel.  Sarah Riepl

Viennale-Termine:
26.10., 10.00 Uhr, Metro, Historischer Saal
28.10., 20.30 Uhr, Urania

Tickets: www.viennale.at

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