Standing Ovations für Bono in Cannes

Zwischen Legende und Lebensbilanz: „Bono: Stories of Surrender“ beleuchtet das Leben des U2-Frontmanns. Und brachte jede Menge musikalische Dynamik nach Cannes.

Von Matthias Greuling, Fotos: Katharina Sartena

Es gibt Momente in Cannes, die größer wirken als das Festival selbst. Am Freitagabend war einer dieser seltenen Augenblicke gekommen: Bono, Sänger von U2, trat im Théâtre Lumière vor das Premierenpublikum seiner neuen Apple-Dokumentation „Bono: Stories of Surrender“ – und wurde mit einer siebenminütigen Standing Ovation bedacht. Applaus, der nicht nur dem Film, sondern einer Ikone galt, die bereit ist, sich neu zu erzählen.

Bono am roten Teppich in Cannes. Foto: Katharina Sartena

Der Film dokumentiert Bonos gleichnamige Solo-Show, entstanden aus seiner 2022 erschienenen Autobiografie „Surrender: 40 Songs, One Story“. Es ist ein intimer Rückblick auf ein Leben zwischen Weltbühne und innerer Suche, zwischen Rock’n’Roll, Aktivismus und persönlicher Verletzlichkeit. Regie führte Andrew Dominik, der Bono in zurückhaltenden, aber präzisen Bildern dabei begleitet, wie er sein eigenes Leben seziert – nicht pathetisch, sondern fragend, oft mit einem ironischen Seitenblick.

Bono selbst wirkte nach der Vorführung überwältigt. Die Ovation machte ihn sichtbar emotional – ein irischer Rockstar, der sich plötzlich nackt, fast zerbrechlich, vor einem internationalen Publikum wiederfindet. Als sich der Applaus langsam legte, griff er zum Mikrofon und begann mit einem Versprechen: „Nächstes Jahr werde ich fließend Französisch sprechen.“ Der Saal lachte – Cannes liebt Selbstironie.

Bono mit Amal Clooney in Cannes. Foto: Katharina Sartena

Dann wurde er ernst. „Ich bin kein Franzose. Ich bin Ire. Nicht mal ein Selfmademan“, sagte er. „Diese Geschichte habe ich nicht allein geschrieben. The Edge, Adam, Larry – sie alle haben daran mitgeschrieben. Und Paul McGuinness. Ohne sie wäre ich nicht hier.“ Eine Hommage an seine Bandkollegen, an die Jahrzehnte gemeinsamer Höhen und Brüche.

Bono gedachte auch dem Regisseur Andrew Dominik, der nicht zur Premiere angereist war. „Ich liebe deine Vision. Ich kann kaum glauben, dass du diese Aufnahmen mit mir machen konntest.“ Es ist eine seltene Anerkennung von einem Künstler, der selbst viele Visionen geprägt hat.

Trailer zu „Bono: Stories of Surrender“ (von Apple+)

Ein besonderer Moment galt Sean Penn, der im Publikum saß. Bono würdigte ihn mit einem Satz, der hängen blieb: „Wenn ich wirklich in einem Schützengraben stecken müsste – nicht auf einem Filmset, sondern in der Realität –, dann will ich Sean Penn an meiner Seite wissen. Er war da für mich.“ Es ist eine Freundschaft, die bereits musikalisch Spuren hinterließ: Für Penns Dokumentarfilm „Citizen Penn“ schrieb Bono den Song „Eden (To Find Love)“.

„Bono: Stories of Surrender“ ist mehr als ein Promi-Porträt. Der Film versucht, hinter das mediale Bild des Weltverbesserers zu blicken. Zwischen Archivmaterial, Bühnenmomenten aus dem Beacon Theatre und persönlichen Erzählungen entsteht das Bild eines Mannes, der inmitten des globalen Lärms nach einem inneren Gleichgewicht sucht – als Sohn, Vater, Ehemann, Aktivist und Rockstar.

Cannes liebt große Bilder. An diesem Abend aber liebte das Festival etwas anderes: die Kraft der Erinnerung – und die Bereitschaft, sich verletzlich zu zeigen.

Bono geht vor The Edge auf die Knie: Er weiß, was er ihm zu verdanken hat. Foto: Katharina Sartena

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