Auf der Piazza Grande in Locarno wurde er mit stehenden Ovationen empfangen: Jackie Chan, die lebende Legende des Actionkinos. Mit Humor und Wärme sprach er über seine ersten Schritte vor der Kamera, die harte Schule seiner Jugend und darüber, wie Präzision und Kreativität in seinen Filmen untrennbar verschmelzen.
Es ist ein seltener Moment, wenn ein einzelner Mensch eine ganze Platzfläche in seinen Bann zieht. Als Jackie Chan in Locarno die Bühne betritt, scheint sich die Stimmung augenblicklich zu verdichten – eine Mischung aus Respekt, Nostalgie und purer Freude. Mit 71 Jahren trägt er noch immer jenes ansteckende Lächeln und jene körperliche Geschmeidigkeit, die seine Karriere geprägt haben.
Der künstlerische Leiter des Festivals, Giona A. Nazzaro (im Bild oben, als er Jackie Chan den Ehrenleoparden überreicht, Foto: (C) Locarno Filmfestival), würdigt ihn als „Furchtlosen, der das physische Erzählen in eine universelle Sprache verwandelt hat“. Für Chan begann diese Geschichte in jungen Jahren an der „China Drama Academy“. Dort, erinnert er sich, herrschte ein strenger Drill, der körperlich und geistig alles abverlangte. „Es war brutal, aber unbezahlbar“, sagt er – eine Schule, in der er Disziplin, Timing und Ausdruck bis zur Perfektion verinnerlichte.

Von der Strenge zur Leichtigkeit
Aus dieser Disziplin entwickelte sich Chans unverwechselbarer Stil: akrobatische Stunts, stets selbst ausgeführt, kombiniert mit humorvoller Leichtigkeit und der Liebe zum präzisen Timing. Inspiration fand er bei Stummfilm-Ikone Buster Keaton und den Choreografien klassischer Musicals, deren Bewegungsfluss er in seine Actionsequenzen übertrug.
Mit einem Lachen erzählt er, wie sein Vater ihn einst fragte, ob er mit 60 noch kämpfen könne. „Jetzt bin ich 71“, sagt Chan, „und ich kann es immer noch.“
Geschichten aus dem Leben
Für Chan ist jeder Moment potenzielles Filmmaterial. Er erinnert sich an eine Bowlingpartie mit Bruce Lee – nicht an den Ausgang, sondern an den Klang der rollenden Kugel und an das strahlende Gesicht seiner Mutter. „Körperbewegung ist wie Musik“, erklärt er. „Sie lebt vom richtigen Einsatz im richtigen Augenblick.“
Auf der Bühne in Locarno beweist er dieses Prinzip in Echtzeit: Zwischen kurzen Geschichten, spontanen Gesten und kleinen Improvisationen schleicht sich immer wieder dieses feine Gespür für Rhythmus und Wirkung ein.
Ein Vermächtnis voller Menschlichkeit
Über Jahrzehnte hat Jackie Chan ein eigenes Genre geschaffen: Action, die zugleich halsbrecherisch und herzlich ist. Er hat mit seinem Körper Geschichten erzählt, die ohne Worte auskommen – und immer mit einem Augenzwinkern.
In Locarno nimmt er den Ehrenleoparden entgegen wie jemand, der um seine Erfolge weiß, aber lieber lacht als posiert. „Technik kann man lernen“, sagt er. „Doch das, was Kino unvergesslich macht, ist der Mensch dahinter.“
Der Abend endet, wie er begann – mit einem Lächeln, das ansteckender ist als jeder Stunt. Und mit der Gewissheit, dass Jackie Chan längst mehr ist als ein Actionstar: Er ist ein Erzähler in Bewegung, ein Künstler, der den Körper zu einem universellen Instrument gemacht hat.
Matthias Greuling, Locarno
Mehr Infos: www.locarnofestival.ch
